Daten:
System: PlayStation 2
Entwickler: Capcom
Vertrieb: Capcom
Version: Japan
Release: 25.01.01 (Japan)
Test in GAMEFRONT 34
Erst die dritte Konsole war die richtige: Nach N64 und PSone erblickt Onimusha auf der PlayStation2 doch noch das Licht der Welt.
Bei der schweren Geburt hat Capcom sämtliche Entwicklungs-Ressourcen mobilisiert (s. Kasten): Die Geschichte handelt im Japan des 16. Jahrhunderts und dreht sich um den Samurai Samanosuke. Er soll die entführte Prinzessin Yuki retten. Leider sind die Kidnapper nicht irgendwelche Wegelagerer, sondern durchtriebene Dämonen, die über ungeheure Kräfte verfügen.
Auch deshalb hat Samanosuke den weiblichen Ninja Kaede zur Verstärkung mitgebracht. Gemeinsam stellen sie sich der riesigen Dämonen-Armee in den Weg und kämpfen sich durch Schlösser, alte Friedhöfe, unterirdische Verliesse und zerfallene Tempel.
Die Grafik setzt auf Renderhintergründe, wie man sie aus Dino Crisis 2 oder Resident Evil 1 kennt. Alle Charaktere bewegen sich als Polygonmodelle durch die Landschaft. Die Steuerung wirkt dank vieler Gemeinsamkeiten mit Capcoms Suvival Horror Spielen recht vertraut.
Mit [] startet Samanosuke einen Angriff, mehrere Tastendrücke hintereinander ermöglichen sogar gewaltige Combo-Serien. Bei gleichzeitig gedrückter R1 Taste bleibt Samanosuke immer auf Höhe des Gegners. Ansonsten schlägt er auf jeden in der Nähe stehenden Feind. Mit L1 schaltet man zur Abwehr von Angriffen in einen Guard Modus um.
Die O Taste dient zum Sprechen mit anderen Charakteren, Öffnen von Schatztruhen und Türen. Per R2 vollführt man eine schnelle 180 Grad Drehung. Der rechte Analogstick zeigt bei einem leichten Druck eine Karte, auf der alle Türen, Treppen und Speicherpunkte vermerkt sind.
Die Steuerung ist nur per Digitalkreuz möglich, was allerdings sehr direkte und schnelle Aktionen ermöglicht - die Analogsteuerung wäre bei der temporeichen Action zu langsam. Samanosuke ist immer im flotten Marschtempo unterwegs, ein langsames Gehen ist nicht möglich.
Mit /\ wird ein Spezialangriff gestartet, der allerdings Seelen verbraucht. Sinkt die Anzeige des Seelen-Vorrates auf Null, saugt man einfach per X Taste neue ein. Diese Seelen hinterlassen besiegte Gegner, bevor sie sich ihre Bestandteile auflösen. Sie schweben kurze Zeit im Raum und entschwinden, wenn man sie nicht rechtzeitig einsammelt.
Das Menü lässt sich mit Start aufrufen und ähnelt sehr Resident Evil. Hier verwaltet man seine Items, liest Journale, Schriftrollen sowie Aufzeichnungen und wechselt die Waffen. Die Dialog-Texte und Sprachausgabe lassen sich komplett in Englisch umschalten. Alle Menüpunkte und Schriftrollen sind japanisch, Items sowie deren Beschreibungen dagegen in englisch.
Auf dem Bildschirm sind die Lebensenergie, der Vorrat eingesammelter Seelen und die Energie für einen Spezialschlag sichtbar. Samanosuke benutzt anfangs ein lächerliches Schwert, doch erhält er im weiteren Verlauf stärkere Waffen, wie z.B. ein Arashi Shippuu (Doppelklinge) oder ein Shiden Raizan. Jedes Schwert besitzt die Kraft eines Elementes wie Donner, Wind oder Feuer.
Diese Energie lässt sich mit einem Spezialangriff entfesseln. Das Shiden Raizan lässt Samanosuke auf diese Weise einen schnellen Comboangriff ausführen, der mit einer donnernden Blitzattacke abgeschlossen wird. Das Arashi Shippuu entfacht einen Tornado, der alle in der Nähe stehenden Feinde zerfetzt.
Die Waffen sind mit Orbs verbunden, die sich in einem Schutzpanzer am rechten Arm von Samanosuke befinden. Mit ihnen lassen sich magische Türschlösser öffnen. Die Orbs erhalten ihre Kraft durch Seelen, die man an Speicherstationen, auf sie umleitet. Je mehr Seelen sie bekommen, desto höher steigt ihr Level. Ein Level 2 Wind-Orb öffnet somit eine Tür, die mit einem magischen Wind-Zauber der Stufe 2 versiegelt ist.
Abgesehen von den gewichtigen Schwertern benutzt Samanosuke auch Schusswaffen wie Pfeil und Bogen. Der bei Capcom in jüngster Zeit so beliebte Charakter-Wechsel fehlt natürlich nicht. In bestimmten Situationen erhält man deshalb die Kontrolle über seine Partnerin Kaede. Kleinere Puzzles in der Machart eines Dino Crisis 1 oder Resident Evil lockern das actionlastige Gemetzel auf.
Es gibt Trickschatztruhen, die mit einem Schiebe-Puzzle versiegelt sind. Man kombiniert Medaillen mit Türschlüssen, findet verschieden farbige Schlüssel und kommt hinter das Geheimnis von mit Seelen versiegelten Türen. Ladeanimationen wie öffnende Türen oder Treppen gibt es nicht mehr. Das Umschalten in einen neuen Bildschirm erfolgt je nach Abschnitt zwischen 2-4 Sekunden.
(Viele weitere Infos zu Onimusha wie technische Hintergrund-Infos, Verkaufszahlen und Entstehungsgeschichte beim Test in GAMEFRONT # 34)
Von Onimusha hatte ich mir anfangs nicht viel versprochen. Zur sehr erinnerte es an ein aufgewärmtes Resident Evil-Sequel. So sprang der Funke auch erst nach einer ganzen Weile über.
Die Qualität der Render-Hintergründe ist überragend. Sie bestechen mit ungeheurer Schärfe, zahllosen Details und aufwändigen Effekten. So schweben leichte Dunst- und Nebelschwaden durch einige Räume, Feuer flackert an den Wänden, Lichtstrahlen erhellen auf gespenstische Weise das Szenario und animiertes Wasser planscht in Tümpeln vor sich hin.
Genauso überwältigend ist die Detailfülle der Polygon-Charaktere ausgefallen, denen "dank" Render-Backgrounds die gesamte Polygonpower der PS2 zugute kommt: Feine Verzierungen an Rüstungen, fließende Konturen und ausdrucksstarke Gesichter lassen sogar die Dead or Alive 2-Konkurrenz verblassen. Überhaupt kommt die Grafik ohne Flimmern und Kantenbildung aus, wie man sie sonst aus vielen PS2-Titeln kennt.
Die Bewegungen sämtlicher Figuren sind absolut flüssig, geschmeidig und eine wahre Augenweide. Auch bei Dialogen, die mit der In-Game Grafik ablaufen, überzeugen die Charaktere mit abwechslungsreichen Gesten und Bewegungen, welche ihre Handlungen untermalen. Kleinigkeiten wie ein realistischer Schattenverlauf - von Freund und Feind - machen Onimusha zum optisch spektakulärsten PlayStation2-Titel. Das Renderintro donnert mit Brachialgewalt über den Bildschirm und erreicht mühelos Kino-Qualität: Referenklasse!
Das Design der Helden und Fieslinge könnte nicht besser sein. Die altertümlichen Kleider, Rüstungen und Waffen spiegeln fast denselben Enthusiasmus wieder, den Yu Suzuki bei der Gestaltung der Bewohner von Shenmue an den Tag legte. So viel Begeisterung und Feinarbeit hätte ich den Jungs von Capcom gar nicht zugetraut.
Die Atmosphäre wirkt weniger beklemmend und bedrohlich als in den Resident Evil-Teilen. Dennoch wird man nach kurzer Einspielzeit von den stimmungsvollen Bildern und dem druckvollen Soundtrack mitgerissen.
Die Battle Engine neigt zum Buttonmashing, denn die meisten Gegner fegt man durch stures Dauerfeuer von der Bildfläche. Lediglich einige grössere Feinde verlangen gut "getimete" Angriffe, bei denen man feinfühlig mit der Guard-Taste arbeitet. Um nicht zu schnell den Abspann zu sehen, ist die RPG-mäßige Idee mit dem zeitintensiven Aufbauen der Schwerter und Orbs gelungen. Blufontänen, zerstümmelte Dämonen und Maden lassen Splatter-Fans jubeln, während allen Anderen etwas mulmig in der Magengrube wird.
Störend ist das Fehlen einer Walk-Funktion. Da Samanosuke stets im Lauftempo unterwegs ist, rasen die prächtigen Renderbackgrounds nur so an einem vorbei. Dadurch bleiben viele optische Eindrücke auf der Strecke, denn im sekundenschnellen Umschalten der Hintergründe geht einiges unter. Und auch wenn sie noch so schön aussehen: Onimusha schreit geradezu nach echten 3D-Hintergründen eines Code Veronica.
Desöfteren kommt es nämlich wegen dem ständigen Umschalten der Kamera zu Orientierungs-Problemen. Denn war das Umblenden bei einem Resident Evil 1 und den lahmen Zombies noch akzeptabel, so werden die starren Kulissen angesichts des enormen Spieltempos zur Stolperfalle. Beim Kampf gegen mehrere Feinde wird nicht selten zwischen 4, 5 oder mehr Kameraperspektiven gewechselt, so dass man mehr verkrampft als entspannt in den Kampf zieht.
Lästig: Einige Feinde greifen "aus dem Nichts" an, wenn die Kamera noch nicht umgeblendet hat. Eine 3D-Echtzeitumgebung hätte hier wesentlich mehr Übersicht gebracht. Räume sollte man grundsätzlich vorsichtig betreten. Schon wenige Feinde lassen die Energieleiste mit schnellen Angriffen rasch auf Null sinken. Schockmomente wie in Silent Hill oder der Resident Evil-Serie fehlen. Vorhersehbare Situationen treiben ein Grinsen ins Gesicht: Dämonen in "Umbrella"-ähnlichen Glasvitrinen - was passiert wohl beim Vorbeigehen?
Den Vorwurf der Innovationslosigkeit muss sich Onimusha allemal gefallen lassen: Aus Zombies wurden Dämonen, und aus einem Polizisten ein Samurai. Altbekannte Schalterrätsel und einige stupide "Wir drücken den Knopf und sehen was passiert"-Aktionen stossen bitter auf. Kleinere Puzzles, die an Dino Crisis 1 erinnern, sind immerhin ein kleiner Lichtblick. Hier hätte Capcom ruhig noch etwas einfallsreicher vorgehen können, auch wenn es vorrangig um Action geht.
Selbst die Idee mit dem Seelen-Sammeln dürfte Kollege Raziel aus Soul Reaver nur ein Gähnen entlocken. Die Karte ist etwas zu klein geraten. Sie lässt einen manchmal mit halb zugekniffenen Augen und einem Fragezeichen über den Kopf nach dem Weg suchen. Zoomfunktion? Fehlanzeige.
Onimusha merkt man in vielen Punkten an, dass es sich etliche Jahre in Capcoms Entwicklungslabors herumgetrieben hat. Es ist wohl eher ein Prestige-Objekt, denn Meilenstein. Zwischen einem (in Japan) verpixelten Tekken, einem verstörenden Driving Emotion Type-S oder dem texturearmen Ridge Racer V ist Onimusha Vorzeigeprodukt und Hoffnungsschimmer zugleich: Exzellente Grafik, bombastische Musik und ein Höllentempo zeigen, dass die PlayStation2 doch einiges zu bieten hat. Dramatische Zwischensequenzen halten die Story auf Trab und bringen so manche Überraschung mit sich. Das etwas betagte Gameplay ist besonders für Fans von Berzerk oder Resident Evil 3 reizvoll. Veteranen erleben desöfteren ein Deja Vu, erfreuen sich aber am Gesamtkunstwerk Onimusha.
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