Daten:
System: PlayStation 2
Entwickler: Rockstar Vancouver, Rockstar Games
Vertrieb: Take-Two
Version: PAL
Release: 25.10.06 (Europa)
Test in GAMEFRONT 50 (Dezember 2006)
Rockstar drückt die Schulbank: Für den GTA-Entwickler kämpft Jimmy zwischen Stundenplan und Schwänzen um die Vorherrschaft an der Bullworth Academy.
Jimmy Hopkins ist kein Musterschüler: Der pubertierende Rebell geht auch seinen Eltern gehörig auf den Keks, so dass sie ihn in die schäbige Bullworth Academy stecken. Doch die knallharte Schule ist alles andere als ein Pisa-Vorzeigebild: In den
Schülerschlafsälen wetzen Ratten durch die Gänge, die Schulköchin spuckt und niest mit Vorliebe in die Töpfe der Kantine.
Während Personal und Räumlichkeiten ein "Mangelhaft" kassieren, will Jimmy bessere Noten einheimsen. Er nimmt am Unterricht teil, versucht im Ansehen bei den Schülergruppen zu steigen und erledigt Aufgaben für verschiedene Leute.
Seinen Alltag bestimmt die Uhr, schon um 8 Uhr klingelt im Zimmer im Jungenschlafsaal der Wecker. Keine Zeit herumzutrödeln! Von 09:00 Uhr bis 11:30 Uhr und von 13 Uhr bis 15 Uhr ist Unterricht. Jimmy sollte innerhalb dieser Zeit schnellstens ins
Klassenzimmer gehen, das auf dem Radar markiert ist. Zwar kann er schwänzen - doch sobald ihn ein Präfekt oder Lehrer erwischt, landet Jimmy im Unterricht.
Das Fernbleiben lohnt sich sowieso nicht immer, denn im Klassenzimmer lernt man in sechs Fächern neue Fähigkeiten. In Englisch setzt der Spieler in vorgegebener Zeit Wörter aus einem Haufen Buchstaben zusammen. Der Lohn sind verbesserte
Provokationen oder Entschuldigungen bei Aufsichtspersonen. Im Sport lernt Jimmy neue Wrestling-Griffe, die ihm bei Rangeleien auf dem Schulhof nützlich sind.
Im Chemie-Unterricht drückt er zu eingeblendeten Symbolen die richtigen Tasten, der Lohn sind Kenntnisse zur Herstellung
von Juckpulver und Stinkbomben mit dem privaten Chemikasten. Jimmy treibt sich nicht nur auf dem Campus herum, sondern besucht auch die nahegelegene Ortschaft. Wie man es aus GTA kennt, herrscht in dem Örtchen geschäftiges Treiben: Im Süßwarenladen kauft der Pennäler was zum Naschen für Freundinnen, in der Boutique kleidet er sich neu ein. Blumenladen und
Kino - sogar ein kompletter Jahrmarkt mit spielbaren Attraktionen lädt zum Verweilen ein.
Polizisten patroulieren durch die Straßen, Autos drängeln und hupen, Schulbusse machen an Haltestellen Stopp. Wer keine Lust auf die Schulbank hat, schwänzt und erledigt Aufträge. Die Missionen tauchen auf der Karte auf. Vor einem Kino muss man Wartende gewaltlos vertreiben, damit eine Mitschülerin noch eine Karte bekommt. Am Strand nimmt Jimmy an Radrennen
teil.
Kleine Botengänge von Mitschülern bringen etwas Geld: Mal Pralinen in den Spind einer Angebetenen stecken oder ein Schulbuch abholen. Die Anarchie eines GTA gibt's in Rockstars Schulausflug nicht: Wer grundlos Schüler vermöbelt, macht sich bei den verschiedenen Gruppen unbeliebt. Legt man sich mit den "Preps" an, attakkieren sie Jimmy sofort, wenn sie ihn sehen. Das
wird nicht nur lästig und zeitraubend, es ist auch gefährlich: In einer Mission wird man aufgehalten und scheitert womöglich, Präfekten packen die Schläger und bringen Jimmy zum Rektor. Der verdonnert den Raufbold zu Strafarbeiten: Auf einem Rasenmäher muss der Spieler Grünflächen stutzen.
Jimmys Waffenarsenal ist jugendfrei: Murmeln, eine Schleuder oder Eier. So rutschen Verfolger mal aus oder liegen nach ein paar Treffern mit der Schleuder benommen auf dem Boden. Schwierig ist es Erwachsenen zu entkommen: Ein Präfekt ist mühsam
abzuschütteln und holt bei tätlichen Angriffen gleich ein halbes Dutzend Kollegen als Verstärkung. Jimmy bleibt in solchen Fällen meist nur die Flucht.
Versteckt im Spind oder Wandschrank wartet er ein paar Sekunden, dann fällt die Ärgerleiste - denn je schwerer die Verstöße gegen die Schulordnung sind, desto mehr Respektpersonen halten nach ihm Ausschau. Deshalb ist es ratsam, mit seinen Mitschülern gut auszukommen und Freunde zu finden. Dafür hat Rockstar ein kleines Kommunikationssystem eingebaut: Mit der L1 Taste visiert man einen Schüler an, dem man via Tasten der Situation angepasste Antworten gibt. Das ist mal eine Entschuldigung, ein Gruß oder eine schroffe Bemerkung. Bei den Mädels auch mal ein Kuss: Schenkt Jimmy einer Mitschülerin Blumen oder Pralinen, gibt's als Belohnung einen Kuss und damit neue Energie.
Um 23 Uhr beginnt die Sperrstunde: Wer im Lichtkegel der Taschenlampe von Präfekten entdeckt wird, landet umgehend im Schlafsaal. Die versteckten GTAPakete hat Rockstar diesmal in vielerlei Formen eingebaut: Jimmy sammelt zwischendurch 75 Gummibänder, 40 Grotten & Gremlins-Karten oder 6 Transistoren: Gibt man einen davon bei einem Penner auf dem Schulgelände
ab, bringt er Jimmy neue Nahkampftechniken bei.
Hätte ich jemals eine Schule besucht, dann könnte ich auch etwas zu Canis Canem Edit schreiben. Doch halt: In der Fahrschule war ich, das zählt doch auch, oder? Warum Take-Two den Namen des Spiels von Bully in dieses Canabis Camora
Canada... was auch immer geändert hat, wird wohl auf ewig ein Geheimnis bleiben. Liegt es daran, dass es in Deutschland den Künstler "Bully" gibt?
Wenn man bedenkt, was im Vorfeld alles geredet wurde: "GTA in der Schule", "Mordsimulator". Nichts von alledem ist wahr: Canis Canem Edit ist ein unterhaltsames Vergnügen, das die Schule zu einem Ort macht, an dem man sich gerne aufhält. Das bewährte GTA-Spielsystem wandelt Rockstar ab und macht es schultauglich. Auf dem Campus und in der Stadt bewegt man sich völlig frei wie in dem Gangster-Epos.
Doch Rockstar lässt dem Spieler nicht ganz so viele Freiheiten wie in der Unterwelt: Stundenplan, Sperrstunde und Verhaltensregeln gegenüber Mitschülern und Lehrern sollen für Disziplin sorgen - doch in keinem anderen Spiel macht es so viel Spaß, diese Regeln mal zu brechen.
Das Drücken der Schulbank belohnt Rockstar mit neuen Fähigkeiten, was motiviert: Anstatt in der Stadt Jobs zu erledigen oder sich in den Dutzenden von Nebenaufgaben die Zeit zu vertreiben, grübelt man gerne über Deutschaufgabe oder bewährt seine Reflexe im Kunstunterricht. Die simplen Minispiele verdienen keinen Innovations-Oscar, erfüllen als leicht verdauliche Action- und Knobeleinlagen aber ihren Zweck. Die Mitschüler und Passanten reagieren wirklichkeitsnaher als in den GTA-Episoden. Sie schauen Jimmy beim Vorbeilaufen hinterher, machen einen Spruch oder Kommentar.
Die Interaktion mit ihnen bringt Rockstar auch voran: Von Entschuldigen, etwas Small-Talk und Herumknutschen mit den Mädels sind Atmosphäre und Spielgefühl klasse. Die Umwelt reagiert auf Jimmys Aktionen stärker, als es in den GTA-Teilen der Fall ist.
Technisch ist die Bullworth Academy eine Sehenswürdigkeit. Die Bildrate ist flüssig, Charakter-Animationen sind beeindruckend - gerade die Zwischensequenzen bewegen sich auf hohem Niveau und begeistern mit ausgezeichneten Synchronsprechern. Den Schulalltag stört zuweilen die Kamera, die etwas ungünstig steht: Im Handgemenge muss man sich öfter mal neu orientieren und einen Gegner suchen, der mal wieder aus dem Blickfeld verschwunden ist.
Mischt sich dann noch ein Präfekt ein, wird's brenzlig. Schnell flüchten, Kamera manuell nachjustieren und auf ein Neues.
Die Missionen sind auch an die Uhr gebunden. So passiert es, dass ein Auftrag auf dem Radar am Abend nicht mehr zu sehen ist.
Seit Mikie auf dem C64 hatte ich nicht mehr so viel Spaß mit einem Spiel, das in der Schule handelt. Streiche spielen, schwänzen oder herumprügeln machen in der Bullworth Academy Laune. Das Umfeld wird einem schnell vertraut und man fühlt
sich als Teil des spannungsvollen Schulalltags. Phänomenale Sprachausgabe und mitreißende Dialoge werden von einem dezenten, aber ausdrucksstarken Soundtrack umrahmt. Das Lernen von neuen Fähigkeiten motiviert, wenngleich auch die Minispiele nicht der Hammer sind. Mein Zeugnis für Jimmy: Note 2+, bestanden, setzen.
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